Kleines Solo für die Hoffnung (Auszug aus Gedanken zu Römer 5, 1-5)
Was und wie genau ist Hoffnung?
Wikipedia sagt, das deutsche Wort Hoffnung kommt von Hopen (Hüpfen), ein vor Erwartung unruhiges Springen oder Zappeln. Und die Kunstgeschichte zeigt die Hoffnung als eine schwungvolle Frauenfigur, z.T. mit Flügeln, den Blick in die Ferne gerichtet, zu ihren Füßen ein Anker. So vereint sie drängende Bewegung und Halt in sich, Zukunftsgewandtheit und Gewissheit gleichermaßen.
Und für uns? Was ist und wie zeigt sich Hoffnung da? In grenzenlosem Optimismus? In einem rheinischen „Et hätt noch immer joot jejange“? In Bildern himmlischer Seligkeit, die alles irdische Elend in sein Gegenteil verkehrt und das Gute noch überhöht?
Schwierig. Zu wenig. Zu viel gleichermaßen.

Vielleicht fangen wir so an:
Welche Farbe würden Sie / würdet Ihr der Hoffnung geben? Das zarte Grün der sich jetzt wieder entfaltenden Blätter und Blumen, das davon erzählt, dass nach dem Winter – egal wie warm und nass oder kalt und frostig er war – wieder ein Frühling kommt?
Oder ist Hoffnung eher hellblau – wie der kleine Fetzen Himmel zwischen grauen Regenwolkenbergen? Sonnengelb? Oder trägt die Hoffnung ein warmes Rot, weil sie (nach Goethe) „Morgenröte in Sturmnacht“ gießt? Ein Streifengewand in Regenbogenfarben?

Hoffnung 2
Morgenröte

Vieles ist möglich. Für mich ist klar: Eines trägt die Hoffnung sicher nicht: Schwarz. Denn Schwarz riecht zu sehr nach Abschied und Trauer, Finsternis und Nichts, Leere und Abgrund.
Bunt ist die Hoffnung, lebendig, verspielt. Ein Energiebündel.
Sie kann „Ich sehe was, was du nicht siehst“ unendlich spielen, ohne jede Ermüdungserscheinung; und sie sieht überall geheimnisvolle Spuren und Zeichen der Ermutigung.
Die Hoffnung hat einen Blick für Kleinigkeiten und für große Aussichten. Das hat sie von Gott gelernt. Sie hat Fernweh nach Gottes Reich und kennt den Weg dahin. Sie malt Bilder davon, die Lust machen aufzubrechen.
Die Hoffnung ist fürsorglich und füttert gerne ihre Schwester Sehnsucht. Und ihre Tischnachbarinnen Glaube und Liebe helfen dabei. Sie legen der Sehnsucht den Geschmack von Frieden
auf die Zunge. Und von einer Welt, in der alle gut leben können. Kräuter, die Wärme und Weite in sich tragen, benutzt Hoffnung als Würze. Dazu mischt sie das Salz getrockneter Tränen und
die Süße himmlischer Lobgesänge. Die Schüssel der Hoffnung wird nie leer, so hungrig die Sehnsucht auch ist.
Die Hoffnung ist eine Tausendsassa: Wenn man sie lässt, mischt sie sich überall rein. Sie hilft den Menschen aufzustehen nach schwerer Nacht und abends vertrauensvoll die Augen zu schließen, egal wie der Tag war; Hoffnung webt ihre Glanzfäden in Alltagspullis, sprenkelt
Lichtpunkte auf schier endlose „To-do-Listen“, verteilt Durchhalte-Traubenzucker in mühsamen Friedens- und Versöhnungsgesprächen und sät Gänseblümchen in Betonritzen trister Großstadtränder – gern vor die Türen der Tafeln für bedürftige Menschen.

Die Hoffnung glaubt daran, dass mehr kommt und mehr möglich ist. Ein Ende ist für sie nicht end-gültig. Manchmal fliegt sie darum auf einem Schmetterling vorbei, oder sie tanzt auf einem Sonnenstrahl im Krankenzimmer. Hoffnung lacht gerne und liebt schlichte, aber starke Rituale: Immer wieder lässt sie sich hineinkneten in den Brotteig für Pessach-Matzen oder Abendmahlsbrot.

Zusammen mit der Liebe und dem Glauben übt Hoffnung den Widerspruchsgeist: Gegen die vielen „das wird sich nie mehr ändern“, „das war schon immer so“, „das wird nie wieder gut“
sagt sie ihr „Und trotzdem…“.
Ja, überhaupt: „und trotzdem / dennoch / aber“ sind tolle Worte, findet die Hoffnung. In ihrem Zweifel an Unabänderlichkeiten und schicksalhaftem Ausgeliefertsein ist sie deshalb außeror-
dentlich beharrlich. Und mit ihrem Möglichkeitssinn findet sie Wege, die ihr Recht geben.
Denn: die Hoffnung will auch was. Sie macht Beine und treibt an; sie sieht ja, wo’s hinsoll und will deshalb so weit wie möglich in die richtige Richtung. Sie holt sich die Phantasie zu Hilfe
und lockt aus der Komfortzone und schubst und stupst mit Kraft hin zur Veränderung. Sie mobilisiert Kräfte, auszuhalten, wo Geduld gefragt ist, und ebenso Kräfte, aktiv zu werden, wo sich etwas zum Besseren wenden lässt.

Denn sie liebt den Glanz, der am Ende alles durchdringen soll, die Gemeinschaft, das Heil für alle, den Schalom / Frieden Gottes, den wir haben und doch immer noch suchen. Sie hätte das alles am liebsten jetzt schon überall. Mitreißend kann sie sein in ihrer Ungeduld. Und beweist zugleich ihre wahre Kraft im Langstreckenlauf: mit langem Atem hält sie zu aufs Ziel.
Das Gute ist: wen die Hoffnung an die Hand nimmt, den gibt sie nicht so schnell wieder los…
Ein Grund mehr, ihr die Hand zu reichen. Heute. Und morgen. Und an jedem neuen Tag!

Irina Solmecke-Mayer

Hoffnung 1
Hoffnung