Was gibt es in einer evangelischen Kirche schon groß zu sehen?

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Gottesdienst für die Augen

Von liturgischen Farben und Tüchern

Liturgische Farbe LilaWas gibt es in einer evangelischen Kirche schon groß zu sehen? Traditionell nicht sonderlich viel, könnte man wohl sagen, zumal in manchen Kirchbauten der Nachkriegszeit. Vielmehr ist Konzentration auf das Wesentliche angesagt, auf das Wort – und das ist ja ohnehin unsichtbar! Evangelische Kirchen sind darum in der Regel auf Schlichtheit und Nüchternheit hin ausgelegt. Aber dennoch: Seit einigen Jahren kommen mancherorts wieder alte Traditionen im Sinne des Wortes „in den Blick“, und der Gottesdienst wird nicht mehr als nur oder in erster Linie rein geistig wahrzunehmendes Geschehen begriffen. Vielmehr lässt sich eine Hinwendung zur Sinnlichkeit beobachten, auch und gerade im Blick auf das, was vor Augen ist: Schlimme Grünpf lanzen, sind sie nicht schon längst verschwunden, verlassen die Kirchräume, die „Prinzipalstücke“, d.h. der Abendmahlstisch oder Altar, der Taufstein und die Kanzel rücken neu in das Blickfeld. Tun wir Evangelischen uns auch vielleicht immer noch schwer mit allzu gegenständlicher Malerei (das biblische Bilderverbot im Nacken), zumindest die liturgischen Farben – klassischerweise vier an der Zahl (violett, weiß, rot und grün) – kommen heutigentags da und dort auch bei uns wieder neu zur Geltung.

Liturgische Farbe WeißDer farbige Schmuck von Altartisch und Kanzel verleiht dem kirchenjahreszeitlichen Gepräge der Sonn- und Festtage ganz augenscheinlich einen eigenen Glanz. Liturgische Tücher in den entsprechenden Farben (in der Fachsprache Paramente ge- nannt, zu deutsch: „Tisch-Bereiter“, bzw. Antependien, zu deutsch: „Vorhänge“, in der evangelischen Tradition als Altar- und/ oder Kanzelbehang in Verwendung, inzwischen aber auch als Stola um die Schultern des/ der LiturgIn) bringen Farbe und Atmosphäre in den Gottesdienst. Sie schaffen Orientierung im Kirchenjahr und decken z.T. sogar Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Festzeiten auf, die auf den ersten Blick nicht direkt einsichtig sind.

Liturgische Farbe GrünVor allem sprechen sie aber neben allem zu Hörenden und zu Bedenkenden noch einen weiteren Sinn an: Farben sind warm oder kalt, sie können Freude oder Trauer zum Ausdruck bringen, regen zur Assoziation an und damit zum Spiel der Phantasie, schlicht: Sie leisten einen wichtigen Beitrag im Bereich der nonverbalen Kommunikation. Und für den Gottesdienst, in dem gerade nicht alles bis in Letzte verstandesmäßig zu erfassen ist, kann dies von besonderer Bedeutung sein.

In unserer Gemeinde sind Paramente bzw. Antependien in der Versöhnungskirche in Beuel-Mitte vorhanden sowie in der Nachfolge-Christi-Kirche im Bezirk Süd, während im Haus der Gemeinde (Beuel- Nord) immer drei Steine in der aktuellen Kirchenjahresfarbe auf dem Altar liegen. Wir wollen jeweils eine der liturgischen Farben vorstellen und die Darstellung mit jeweils passendem Bildmaterial illustrieren.

Liturgische Farbe RotBeginnen wir mit der in unserer evangelischen Tradition am seltensten verwendeten liturgischen Farbe: rot mit ihren ersten Assoziationen „Liebe“, „Feuer“, „Blut“. Zwei „rote Tage“ sind das Fest der Konfirmation und danach die Pfingsttage. Darüber hinaus sind in der evangelischen Kirche auch alle weiteren Festtage mit der Farbe Rot gekennzeichnet, die mit dem Wirken des Heiligen Geistes oder mit der Kirche als solcher zu tun haben. Dies sind vor allem der Reformationstag (31. Oktober) und der Gedenktag der wichtigsten reformatorischen Bekenntnisschrift der Confessio Augustana (25. Juni), aber auch besondere Feste wie das der Ordination einer Theologin oder eines Theologen. Schließlich werden auch die Gedenktage der Apostel und Evangelisten (so selten sie auch begangen werden) mit rot abgebildet, ebenso die Gedenktage von aus evangelischer Sicht als Märtyrer zu bezeichnenden Personen (z.B. Stephanus: 26. Dezember, vgl. Apg 6f.).

Pfarrer Christian Verwold