Inhalt
- Die Urgemeinde: Kirchengeschichte, Teil 1
- Die Heilige Schrift: Kirchengeschichte, Teil 2
- Die Heilige Schrift: Kirchengeschichte, Teil 3
- Die Heilige Schrift: Kirchengeschichte, Teil 4
- Die Heilige Schrift: Kirchengeschichte, Teil 5
- Die Entwicklung des Mönchtums: Kirchengeschichte, Teil 6
- Germanen und Beginn des Mittelalters: Kirchengeschichte, Teil 7
Die Urgemeinde
Kirchengeschichte, Teil 1
Die Entstehung der sogenannten Urgemeinde in Jerusalem hängt mit dem Pfingstwunder (Apg 2) zusammen. Die Geistausgießung und zuvor die Auferstehung Christi ließen die Jünger verstehen, dass das endzeitliche Handeln Gottes begonnen hatte. Jesu Verkündigung vom nahenden Gottesreich bestätigte sich. Die Geistausgiessung zu Pfingsten bedeutete die Erfüllung der prophetischen Ankündigung aus Joel 3. Das Sprachenwunder der Pfingstgeschichte wurde als Aufhebung der Sprachverwirrung nach dem Turmbau zu Babel (1. Mose 11) verstanden. Die Auferstehung Jesu wiederum als erwirkte Sündenvergebung für die Menschen, durch die Erhöhung des von Menschen verworfenen Gerechten (Messias), sodass die Gemeinschaft der Jünger die Ankunft des Gottesreiches gekommen sah. Der Ruf: Maranatha = Unser Herr, komm, zeigt das Selbstverständnis der Urgemeinde als Vorhut der Gottesreichsgemeinschaft.
Die erste Gemeinde bildete sich in Jerusalem, kurz danach bildeten sich Gemeinden in Galiläa und in Damaskus.
Man verstand sich ganz und gar aus dem jüdischen Glauben heraus, nahm weiter am Gebetsgottesdienst im Tempel teil und beachtete die jüdischen Speise- und Reinheitsvorschriften, man war eine jüdische Untergruppierung.
In den jüdischen Minderheitengemeinden, zum Beispiel in Damaskus, fragte man sich aber bald, ob die Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde, die ja mit Taufe und Geistverbindung ihr eigenes Zugangsritual hatte, von der vollen Beachtung des jüdischen Gesetzes abhängig sein musste. So gab es in den jüdischen Auslandsgemeinden die Gruppe der sogenannten Proselyten. Nicht jüdische Menschen (Heiden), die sich an das jüdische Gesetz hielten, aber vor dem Schritt der Beschneidung zurückschreckten. Für sie war die Botschaft, dass Gott durch Christus Juden und Heiden gerettet hat, hoch attraktiv. Die strenge Beachtung des jüdischen Gesetzes und vor allem die Beschneidung waren nicht mehr notwendig.
So entstand in der Urgemeinde ein Konflikt zwischen den judenchristlichen und den heidenchristlichen Gruppierungen um die Beachtung des alttestamentlich jüdischen Gesetzes.
Beteiligte waren die „Heidenapostel“ Paulus und Barnabas und die drei Säulen der Jerusalemer Gemeinde: Jakobus, der Bruder von Jesus, Johannes und Petrus. Apostelgeschichte 15 berichtet von diesem Apostelkonzil mit seiner Lösung des Verzichts auf Beschneidung und Beachtung des Gesetzes für die heidenchristlichen Gemeinden.
Die Urgemeinde in Jerusalem wurde schnell zu einer größeren Gemeinschaft; sie wurde zunächst von den 12
Aposteln geleitet, deren Autorität sich auf Erscheinungen des Auferstandenen gründete. Je größer die Gemeinde wurde, desto mehr musste sie sich organisieren. Es wurden Diakone für die Armenversorgung gewählt (Apg. 6), es wurden in Übernahme der jüdischen Organisationsform Älteste = Presbyteroi neben den Aposteln zur Leitung eingesetzt. Daneben gab es Propheten, die über Zungenrede in direkter Verbindung mit Gott standen.
Theologisch waren in der Urgemeinde nach Apg 2, 37-47 die Lehre der Apostel (von der Auferstehung, Sündenvergebung, Anbruch des Gottesreiches), die Gemeinschaft, die Feier des Abendmahls und das Gebet (Vater Unser) wichtig.
Viel Beachtung hat, wirtschaftlich betrachtet, die freiwillige Gütergemeinschaft der Urgemeinde gefunden. Das Teilen des persönlichen Besitzes mit den Armen der Gemeinde wurde als Ausdruck der Nächstenliebe betrachtet. Dies mit der Idee des Kommunismus in Verbindung zu bringen, halte ich für verfehlt, weil die Urgemeinde sich nicht als neue Gesellschaftsform ver- stand, sondern vielmehr als Gemeinschaft, in der das erwartete Gottesreich schon in diesem Leben Gestalt annahm.
(Pfarrer Ralf Günther)
Die Heilige Schrift
Kirchengeschichte, Teil 2
Wir befinden uns in der Mitte des zweiten Jahrhunderts. Christliche Gemeinden haben sich gebildet und feiern Gottesdienst. Darin wurde das Alte Testament (AT), die jüdische Bibel, als Heilige Schrift gelesen. Allerdings las man es in der Interpretation, dass es auf Christus deutete, und entsprechend bestritt man den jüdischen Gemeinden, dass sie das AT richtig verstehen würden.
Weiterhin orientierte sich die Gemeinde am Wort des Herrn und seiner Apostel.
Es wurde aus den Evangelien gelesen, die zu dieser Zeit bereits verbreitet waren und aus den Apostelbriefen, denn Christus sprach ebenfalls durch die von ihm bevollmächtigten Apostel zu seiner Gemeinde.
Insbesondere der Apostel Paulus verfasste viele Briefe, durch die er mit den vielen Gemeinden, die er gründete, im Kontakt blieb und sie lehrte und leitete. Diese Briefe wurden ziemlich bald abgeschrieben und weitergeleitet, sodass sie große Verbreitung fanden. Genauso wurde mit den Briefen anderer Apostel verfahren.
Mit den Jesusworten, den Herrenworten, verhielt es sich so, dass sie mündlich überliefert wurden. Das war kein Problem, solange es genug Zeitgenossen Jesu gab. Als diese jedoch langsam starben, die Überlieferung der Jesus Worte nach dem Gesetz des „Stille Post“ Spieles immer abenteuerlicher wurde und vor allem das Kommen des Gottesreiches, entgegen aller Erwartung, ausblieb, wurden die Evangelien verfasst, um die Verkündigung Jesu dauerhaft und sachgerecht festzuhalten.
Das älteste Evangelium ist das des Markus. Es wurde vor 70 n.Chr. verfasst, denn in ihm fehlt jeglicher Hinweis auf die Zerstörung Jerusalems, die eben dann stattfand. Das Kennzeichen des Markus ist das sog. Messiasgeheimnis. Nach jeder Tat Jesu werden die Beteiligten zum Schweigen verpflichtet, denn obwohl in seinen Taten die Messianität Jesu aufscheint, ist sie erst von der Auferstehung her zu begreifen. Jesus, der Erlöser von Tod und Sünde, war in der Tat vorher nicht sichtbar.
Das Matthäus Evangelium erweist Jesus als denjenigen, in dem die Verheißungen des Alten Testamentes zur Erfüllung kommen. Darum gibt es in seinem Evangelium zahllose Verweise auf die Erfüllung der Schrift.
Lukas beschreibt die Wirksamkeit Jesu im Evangelium und Ausbreitung des Christentums bis Rom in der Apostelgeschichte. Denn er sieht eine Zeit der Kirche zwischen dem Anbruch der Gottesherrschaft in Jesus Christus und der Vollendung der Gottesherrschaft.
Die theologische Antwort auf das Ausbleiben des Gottesreiches.
Johannes ist vom griechischen Denken erfüllt. Sein Evangelium ist das jüngste, um 100 n.Chr. entstanden. Das göttliche Wort ist Fleisch geworden, und dennoch wird dieses göttliche Wort Jesus von der ungläubigen Welt abgelehnt. Allein die Jünger begreifen, wer Jesus ist.
Eine Krise zwang dann die junge Kirche, den Kanon (Gesamtschriftenumfang) des Neuen Testaments (NT) genau zu fixieren. Der Bischofssohn Marcion reiste mit einer eigenen Auffassung durch den Mittelmeerraum und gründete Gemeinden. Er sah das AT mit seiner Gesetzeslehre im unüberbrückbaren Gegensatz zur Liebesbotschaft des Evangeliums Christi und ließ als Bücher eines NT nur die Paulusbriefe und das Lukasevangelium zu. Christus sah Marcion als Sohn eines guten und unbekannten Vaters an, der Jesus zum Wohle der Menschen in die Welt sandte. Der Gott des Gesetzes aus dem AT war von diesem Gott unterschieden.
Dagegen entschied die frühe Kirche, am AT festzuhalten und damit am Glauben an den einen Gott, den Schöpfer und Vater Jesu Christi. Dem Alten Testament wurde ein Neues mit allen vier Evangelien und den apostolischen Briefen an die Seite gestellt. Am Ende des zweiten Jahrhunderts stand das NT damit in seinen Grundzügen fest.
(Pfarrer Ralf Günther)
Die Heilige Schrift
Kirchengeschichte, Teil 3
Eigentlich war das 3. Jahrhundert ein ruhiges Jahrhundert für die sich ausbreitende Christenheit. In Ägypten, Syrien, Nordafrika und Mittelitalien gab es immer mehr Christen. Es formte sich eine feste kirchliche Struktur. Der Bischof wurde als grundlegende Institution des kirchlichen Lebens anerkannt. Jede Gemeinde wurde von einem Bischof geleitet, dem Presbyter und Diakone zur Seite standen.
Als die Zahl der Gemeinden sprunghaft stieg, wurde der Bischof Leiter einer Gemeinderegion an ihrem jeweiligen Hauptort. Die kleineren Gemeinden wurden von Presbytern geleitet. Die Bischöfe einer Provinz versammelten sich wiederum zu Synoden, um einmütig ihre Entscheidungen zu treffen. Die Bischöfe bedeutender Städte erfuhren einen Machtzuwachs. Sie wurden zu Patriarchen und diese residierten in Rom, Alexandrien in Ägypten, Antiochien in Syrien und Jerusalem. Da die Gemeinde in Rom von Petrus und Paulus gegründet wurde, erhielt der römische Bischof einen Ehrenprimat, woraufhin sich die römischen Bischöfe gern als Schiedsrichter der Christenheit aufspielten.
Dis Stellung des Bischofs wurde unterstützt durch die theologische Lehre des Bischofs Cyprian von Karthago (Nordafrika). Er lehrte die Einheit der Kirche, die auf dem Bischofsamt wurzelte, da Christus auf einen Apostel die Kirche gegründet hat. Jeder einzelne Bischof repräsentiert Christus und versammelt zur Synode bezeugen sie in einmütiger Übereinstimmung den Willen Christi. Deshalb gibt es nach Cyprian keinen Weg zu Gott an der Kirche vorbei, und deshalb ist jede Irrlehre (Häresie) auszumerzen.
In der Mitte des 3. Jahrhunderts kam es zur großen Krise, als 249 n.Chr. ein Römer auf den römischen Kaiserthron kam. Die Vorgänger stammten samt und sonders aus anderen Teilen des römischen Reiches, wie Syrien, Nordafrika. Decius` Regentschaft löste eine Welle römischen Nationalbewusstseins und damit auch altrömischen Religionsbewusstseins aus. Wirtschaftliche Notlagen und Seuchen wurden als Strafen der Götter für fremde Religionsgemeinschaften im Reich verstanden. Decius zwang die Christen zu einem Opfer für Kaiser und Reich. Wer sich verweigerte, wurde hingerichtet. Dieser Verfolgung schloss sich eine weitere unter Kaiser Valerian an. Diese zielte vor allem auf kirchliche Amtsträger und hatte furchtbare Auswirkungen auf die Kirche, denn viele Bischöfe blieben standhaft und wurden hingerichtet, wie Bischof Cyprian von Karthago. In weiten Teilen stand die Kirche ohne Führung da.
Naturgemäß gaben aber viele Christen nach und opferten. Für die Kirche stellte sich im Anschluss die Frage, wie mit den Abgefallenen umzugehen sei. Rom gewährte Vergebung und Neuaufnahme, andere Strömungen blieben hart und wollten die Vergebung allein Gott überlassen, sprich die Abgefallenen von der Kirche fernhalten. Zuletzt soll von einem großen östlichen Theologen die Rede sei, der mit seinen Gedanken über den Logos die Trinitätslehre vorbereitete: Origenes von Alexandrien (185-253).
Er stellte sich neben Gott eine ewige Welt von Seelen und vernünftigen Wesenheiten vor. Diese Wesenheiten machten schlechten Gebrauch von ihrem freien Willen und sind deshalb gefallen. Zu diesen gefallenen Wesen gehören Engel, Menschen und Dämonen. Zwischen den Wesen und Gott steht der Logos, nicht selber Gott, sondern nur göttlich durch die Teilhabe an Gott. Der Logos nimmt zur Rettung der Menschen Fleisch an und führt die Menschheit zu Gott zurück. Durch den Kreuzestod wird der Logos zum Opfer, durch das die Menschheit aus der Gefangenschaft der dämonischen Mächte befreit wird.
Das letzte Werk des Logos besteht in der Apokatastasis, der Wiederherstellung aller Dinge in ihren ursprünglichen Zustand, in dem alle Wesen fest verwurzelt in der Liebe Gottes leben (nach A.Benoìt). Mit seinen Spekulationen eröffnete Origenes das Denken über das Verhältnis des Gottessohnes Jesus zu Gott, das die Christenheit bis
ins nächste Jahrhundert beschäftigen sollte.
(Pfarrer Ralf Günther)
Die Heilige Schrift
Kirchengeschichte, Teil 4
Zwei große Themen prägten das 4. Jahrhundert: Die Erhebung des christlichen Glaubens zur Staatsreligion im römischen Reich durch Kaiser Konstantin und die Trinitätslehre. Beide Themen haben sogar miteinander zu tun, denn als der erste christliche Kaiser, der er war, nahm er auch Einfluss auf die Kirche und mischte sich in ernste kirchliche Streitigkeiten ein mit dem Ziel, die Einigkeit und den Frieden in der Kirche sicherzustellen.
So war es Kaiser Konstantin, der das Konzil von Nicäa einberief, um eine Lösung im trinitarischen Streit herbeizuführen. Dazu jetzt mehr:
Die Trinitätslehre wurde auf den beiden altkirchlichen Konzilen von Nicäa 325 n.Chr. und Konstantinopel 381 n.Chr. formuliert (Konzile waren damals Bischofsversammlungen). In der Trinitätslehre prallen die Vorstellungen der Heilsgeschichte und die von der zeitgenössischen griechischen Philosophie geprägten Denkvorstellungen aufeinander. Die Heilsgeschichte hatte sich in Israel ereignet. Die Christen glauben an den einen Gott, der sich in der Welt offenbart hat als der Gott des Alten Testaments im Gesetz und durch das Wort der Propheten.
Im Neuen Testament durch die Person Jesu Christi, als dem Sohn Gottes und dem Heiligen Geist, der seit dem Pfingstwunder in der Welt wirkt und der von Christus verheißen wurde (s. Joh.14).
Ausgebreitet hatte sich das Christentum jedoch in den griechisch-römischen Lebensraum, und der wurde von bestimmten philosophischen Vorstellungen geprägt. Bezogen auf die Gottesvorstellungen zum Beispiel, von der Idee, dass Gott von seinem Wesen her ungeteilt ist, ungeschaffen und einer, im Unterschied zu allen Geschöpfen, die zusammengesetzt sind (Zeugung aus Eltern) sind, geschaffen und viele.
Der Widerspruch springt sofort ins Auge: Wenn Gott drei Personen ist, dann ist er etwas Zusammengesetztes und deshalb kein Gott mehr. Arius, ein Pfarrer aus Alexandrien, brachte den Streit um die Trinität so richtig in Schwung. Er lehnte die Gottheit Christi ab. Er ist nicht wesensmäßig Gott, sondern ihm ist die Gottheit nur durch die Gnade Gottes beigelegt worden. Das Problem, das entsteht, wenn man der arianischen Idee folgt ist, dass die Menschen in Christus nicht die volle Offenbarung Gottes erlebt haben, weil Christus nicht Gott ist oder dass man mehrere Götter annehmen muss.
Beides war den Christen nicht akzeptabel, und so erfuhr Arius erbitterten Widerstand. Das Konzil von Nicäa führte den Begriff „wesenseins“ ein und erklärte Christus als Einziggeborenen aus dem Wesen des Vaters, gezeugt nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater.
Damit war der Streit jedoch nicht beendet, denn nun musste geklärt werden, wie sich die beiden Personen Gottes zueinander verhielten und wie der Heilige Geist sich zu Gott verhielt. Nach weiteren 50 Jahren Lehrstreit führten die sogenannten drei großen Kappadozier eine Lösung herbei, die auf dem Konzil von Konstantinopel 381 festgeschrieben wurde. Diese Drei entwickelten eine präzise Begriffssprache, um zwischen dem gemeinsamen Wesen Gottes und den drei Personen der Trinität zu unterscheiden.
Usia bezeichnet nun das gemeinsame Wesen Gottes, Hypostasis die jeweilige Form, die dieses Gottsein in der Person von Vater Sohn und Geist annimmt. Dem Vater kommt die Vaterschaft zu, dem Sohn die Sohnschaft, dem heiligen Geist die Heiligung. Jetzt war die Trinitätslehre fertig mit der Aussage vom einen Wesen Gottes und der gleichzeitigen Beschreibung der unterschiedlichen Personen.
Damit ist die Kirche über den philosophischen Rahmen der klaren, logischen Gedankenfolge hinaus gegangen und beschreibt die Wirklichkeit Gottes mit einem Paradox. Eigentlich kann es auch nicht anders sein, wenn wir ernstnehmen, dass die Wirklichkeit Gottes unsere geschöpflichen Möglichkeiten und Rahmenbedingungen übersteigt.
(Pfarrer Ralf Günther)
Die Heilige Schrift
Kirchengeschichte, Teil 5
Der Kirchenvater Augustin 354-430 n.Chr.
Der Lebenslauf dieses größten Theologen seit Paulus (Bernd Möller) sei nur kurz erwähnt, um die Entwicklung Augustins zu skizzieren. Er selbst bedachte sein Leben in dem Buch Confessiones (= Bekenntnisse). Hier schilderte er seinen Werdegang mit den Stationen der, durch die Mutter christlich geprägten, Kindheit, der Begeisterung für Ciceros Philosophie (Vermittlung der griechischen Gedankenwelt in das lateinische Denken), der 10-jährigen Zugehörigkeit zum Manichäismus (Weltanschauung, die den Gegensatz zwischen Gut und Böse im Menschen, dem Geistigen = gute Seite und dem Körperlichen = schlechte Seite zuordnet.), der Hinwendung zum Neuplatonismus (Hier wird Gott als der schlechthin Gute begriffen, aus dem alles Sein quillt, das Schlechte wird entsprechend als Mangel an Gutem verstanden.). Zuletzt wurde Augustin wieder Christ und erlangte als solcher seine große geschichtliche Bedeutung.
In den Confessiones sieht er sein Leben unter dem Gegensatzpaar von menschlicher Sündhaftigkeit und Irrung und Gottes Barmherzigkeit und Führung (A. Schindler). In diesem Sinne machte Augustin die Gnade Gottes groß und die Möglichkeit des Menschen zum Guten klein. Jede Regung des Menschen zum Guten ist bereits eine Gnadenwirkung Gottes und nicht etwa auf eine zum Menschen gehörende Güte zurückzuführen. Alles Gute kommt nur Gott zu und wenn das Gute auf den Menschen übergeht, dann von Gott her.
Da Augustin den Menschen nun nicht als böse von Natur bewerten konnte, das hätte dem Schöpfungsbericht widersprochen („es war alles sehr gut“), bewertete er den „Sündenfall“ Adams, der aus freiem Antrieb erfolgte, als so schwerwiegend, dass alle seine Nachkommen mit einer unwiderstehlichen Neigung zur Sünde geboren wurden. Die Lehre von der Erbsünde war geboren.
Jeder Mensch ist dadurch vollkommen schuldig vor Gott. Dennoch kommt Gott dem Menschen in seinem Sohn zur Erlösung entgegen. Gott bietet so durch die Kirche allen das Heil an, und es bleibt seinem Ratschluss vorbehalten, wen er zum Glauben befreit und wen er in der Schuld lässt. Wohlgemerkt nach Augustin kommt jede Regung zum Guten von Gott, also entscheidet Gott und nicht der Mensch, wer glauben kann und wer nicht. Gott bestimmt vorher, wer zum Guten gehört und wer zum Bösen. Die doppelte Prädestinationslehre war entwickelt.
Die Kirche, die das Heil Gottes vermittelt, muss nach der logischen Ableitung Augustins eine sein, denn Gott, der schlechthin Gute, ist einer. Also kann es auch nur eine wahre Kirche geben, die Gottes Wahrheit in sich trägt und sein Heil: die eine katholische (allgemeine) Kirche. Gottes Gnadenkraft wird durch die Sakramente an die Menschen vermittelt, und die Kirche verwaltet die Sakramente, also kann nur durch die Kirche das Heil Gottes geschehen. Es gibt kein Heil außerhalb der Kirche.
Augustins Erbsündenlehre, die Prädestinationslehre und sein Kirchenbegriff haben die Christenheit stark beeinflusst, wenn auch nicht nur zum Guten, wie ich meine.
Die Erbsündenlehre hat zu einer großen Leibfeindlichkeit und einer massiven Abwertung des Weiblichen in der Kirche geführt. Denn die Vererbung des Sündenfalls wurde dem Geschlechtsakt zugeordnet, also dem körperlichen Sein. Die Frauen, als Gebärende, wurden entsprechend stärker dem Körperlichen zu geordnet als die Männer, die dem geistlichen Leben offener gegenüberstanden.
Die Prädestinationslehre und die exklusive Stellung der Kirche (ihre Heiligkeit) gaben der Kirche eine riesige Macht, an der ihre Vertreter, weil sie eben Menschen waren und sind, notwendig scheitern mussten. Es gibt eben für den Menschen keinen Raum außerhalb des Menschlichen. Gott wollte und will auch keinen Raum außerhalb des Menschlichen, sonst wäre Christus nicht Mensch geworden.
(Pfarrer Ralf Günther)
Die Entwicklung des Mönchtums
Kirchengeschichte, Teil 6
Antonius der Große, der 356 gestorben ist und nach dem zum Beispiel die katholische Kirche in Niederholtorf benannt ist, hat dem Eremitendasein, mit dem das Möchtum begann, zu einer großen Popularität verholfen. Antonius war Ägypter, er verlor seine Eltern mit 20 Jahren und blieb mit seiner Schwester zurück. Er verschenkte das Vermögen der Eltern, sorgte mit dem Erlös für die Versorgung der Schwester und begann ein asketisches Leben. Zunächst blieb er in der Nähe von Ortschaften, dann widmete er sich dem Kampf gegen die Dämonen mit den Mitteln des Gehorsams gegen das Gotteswort und der Enthaltsamkeit. Dazu zog er sich weiter in die Wüste zurück und schloss sich in weit abgelegene Grabkammern ein.
Solchen Dämonenkampf dürfen wir nicht als Privatvergnügen bewerten, sondern müssen ihn der großen Front des Kampfes zwischen den Mächten des Lichtes und der Finsternis zuordnen, den die gesamte Kirche bestritt.
Nach über 20 Jahren in der Wüste kamen einzelne Schüler zu ihm, die das eremitische (von eremos Wüste, Einsamkeit) Leben lernen wollten. So wurde Antonius ein Mönchsvater, der seinen Schülern die Inhalte Enthaltsamkeit, Gebet, Arbeit, Gehorsam und Demut als Haltung des mönchischen Lebens vermittelte.
Die Anfänge des Mönchtums in der westlichen Kirche gehen auf Augustinus, den Kirchenvater Hieronymus, und Bischöfe, wie Eusibius und Ambrosius, zurück.
In der westlichen Kirche wurde das Kloster auf dem Lande der Ort, um die Einsamkeit zu finden und dem Tumult der Stadt zu entgehen. Dann wurden Familienpaläste in der Stadt zum Kloster umgewandelt und so eine künstliche Wüste geschaffen. Hier war Hieroymus (gest. 420) beteiligt, der einem Damenkreis um die reiche römische Witwe Marcella geistlich-asketische Unterweisung erteilte. Durch die Gemeinschaft der Marcella wurde die Klosterentwicklung in Rom in Gang gesetzt.
An der Entwicklung der Klöster in anderen Städten wirkten Bischöfe mit, indem sie selber mit ihren Klerikern in asketischer Hausgemeinschaft lebten. Hier sind Eusebius (gest. 370) und Ambrosius von Mailand (gest. 397) zu nennen.
Durch die Verbindung des mönchischen Ideals mit den Bischöfen ist die Mönchsbewegung sehr flexibel. Sie passt sich der gesamtkirchlichen Entwicklung gut an und wird dadurch überlebensfähig.
Augustinus, ein Verehrer des Antonius, gründete als Bischof von Hippo Regius ebenfalls ein Klerikerkloster. Er verfasste dann als erster Theologe eine Ordensregel für seine Klostergemeinschaft, angelehnt an das alte Mönchsleitbild aus Apg. 4: Ein Herz und eine Seele.
Die Notwendigkeit einer festen Regel für das Mönchsleben wurde im 5. Jahrhundert immer deutlicher erkannt und hier ist zuletzt also Bendikt von Nursia (ca 480-550) mit seinem berühmten ora et labora (bete und arbeite) zu nennen.
Benedikt gründete 529 das berühmte Kloster auf dem Monte Cassino und schuf die berühmteste der Klosterregeln. Der Mönch steht im Kriegsdienst für Christus (militia Christi Regis), womit die bedingungslose Nachfolge Christi gemeint ist. Deshalb muss sich der Mönch von der Welt abwenden, dem Abt Gehorsam leisten, sein Leben lang in seinem Heimatkloster bleiben und Gott im liturgischen Dienst verherrlichen. Der zentrale Weg, der den Mönch zur Gottesliebe führt, ist dabei die Demut.
12 Stufen der Demut stellt Benedikt fest. Auf der 10. Stufe lacht der Mönch nicht leicht, „weil geschrieben steht: Nur der Tor bricht in schallendes Gelächter aus“. Auf der 11. Stufe redet er nur wenig und leise. Auf der 12. Stufe senkt er stets den Blick, weil er spürt, welch großer Sünder er ist.
„Hat nun der Mönch alle diese Stufen der Demut erstiegen, gelangt er zur Gottesliebe, die vollkommen ist und die Furcht vertreibt.“
Die Benediktiner mussten Monte Cassino schon 577 verlassen, doch der Orden besteht und zum Beispiel unsere Vorstellung von Demut ist bis heute von Benedikts Stufen geprägt.
(Pfarrer Ralf Günther)
Germanen und Beginn des Mittelalters
Kirchengeschichte, Teil 7
Den Begriff Mittelalter prägten wohl die Humanisten des 15. Jahrhunderts. Für sie war es der Zwischenraum zwischen der Antike, die sehr idealisiert wurde und der Renaissance, also der Wiedergeburt der Antike zu ihrer Zeit.
Der Beginn des Mittelalters ist nicht genau festgelegt, gehört aber in die Zeitspanne der Völkerwanderung, dem Untergang des Weströmischen Reiches 476 und aus kirchlicher Perspektive in die Zeit Papst Gregor I., der 604 gestorben ist.
Als die Hunnen um 375 nach Ostmitteleuropa drängten, lösten sie eine Fluchtbewegung vieler germanischer Stämme aus, die ihrerseits in den westeuropäischen Raum drängten und die spätantike Welt veränderten.
Dabei fegten die Germanen Rom nicht einfach hinweg, sondern sie wuchsen langsam ins Reich hinein, stützten und stärkten das Reich, bevor sie langsam zu Beherrschern des westlichen Rom wurden und 476 den letzten Kaiser stürzten.
Als erstes kamen die Ostgermanen und sie wurden als Erste der Germanen Christen. Hier ist der Missionar Wulfila (311-383) zu nennen, ein Enkel von Christen, die von Goten entführt wurden, selber Halbgote, allerdings wegen der kappadozischen Wurzeln (Zentraltürkei), im arianischen Bekenntnis aufgewachsen (Christus ist nicht wirklich Gott). Er übersetzte die Bibel ins Gotische und prägte den Arianismus der Germanen, die in der Folge zwar als Christen in den Westen kamen und dennoch zur katholischen Kirche einen dogmatischen Gegensatz lebten. Dass sie dem arianischen Bekenntnis folgten, hatte auch damit zu tun, dass sie ihre Eigenständigkeit in Abgrenzung zu den anderen Völkern bewahren wollten.
Als, durch äußeren und inneren Druck bedingt, das weströmische Reich langsam zerfiel, blieb die katholische Kirche das Verbindende für die Romanen und die einzige funktionierende Institution. Teilweise übernahm sie die Aufgabe staatlicher Behörden, wie etwa das Rechtswesen. So stieg das Ansehen der Kirche und des Klerus (der Geistlichen). Darüber wurde die Kirche reich, denn manche Schenkung und Erbschaft fiel ihr zu, und sie baute damit die caritative Arbeit aus, was ihr Ansehen weiter steigerte. Theologisch verstand die Kirche die Situation als ein Zeichen für das Werden des Gottesreiches, war sie doch mit ihren Institutionen an die Stelle des Reiches getreten.
Das hohe Ansehen der Kirche beeindruckte den König der Franken Chlodwig. In seinem Sieg über die Alemannen bei Zülpich 496 erkannte er die Überlegenheit des Christengottes und ließ sich 498 in Reims taufen. Chlodwig festigte so die Macht des Frankenreiches, weil Romanen und Germanen in einer Religion vereint wurden. Dies wurde möglich, weil die Germanen in ihrem Volksbewusstsein, das stark gemeinschaftsbezogen war, ihrem König in seinem Glauben folgten.
Mit der Bekehrung der Germanen trat nach Griechen und Römern zum dritten Mal ein großes Volk zum Christentum über und prägte den Glauben mit seinen Eigenarten.
Der religiöse Ausgangspunkt der Germanen war ihre düster-erdhafte Mythologie, die die Götter als unberechenbare und trügerische Mächte beschrieb. Demgegenüber erschien der Christengott als der hoch überlegene, mit seinem fremdartigen geheimnisvollen Kult (Eucharistie Feier in der Messe), mit seinem Beistand im Kriege, mit seinem Sieg über den Tod. Der Kampf Christi mit dem Teufel (Mt.4) erhielt besonderes Gewicht und mit diesem Gewicht erhielt die Christusverehrung eine besondere Innerlichkeit. Die Germanen trachteten danach, persönlich Anteil am Heil Christi zu bekommen und dies zu spüren.
(Pfarrer Ralf Günther)