Mutter der Gemeinde

Die erste christliche Gemeinde in Korinth traf sich um das Jahr 50 n. Chr. im Haus von Aquila und Priszilla, einem aus Rom zugezogenen Ehepaar, von Beruf Zeltmacher. Sie nahmen Paulus in ihr Haus und ihre Werkstatt auf und arbeiteten mit ihm zusammen in Handwerk und Gemeinde.

In Beuel trafen sie sich als Hausgemeinde im Haus von Ottilie Sander in der Wilhelmstraße 4, heute Friedrich-Breuer-Straße 6-8. Mit ihrer Familie kam sie 1865 an den Rhein. Nach dem frühen Tod ihres Mannes führte sie als Geschäftsfrau ihren Betrieb, in dem Säcke für die Zementfabrik wasserdicht präpariert wurden, alleine weiter. Gerne entsprach Pfarrer Spitta dem Wunsch seiner Gemeindeglieder, 14-täglich in Beuel Gottesdienste zu halten.

Ottilie Sander (geb. 17.1.1838 in Pouch bei Bitterfeld, gest. 27.12.1925 in Beuel) richtete in ihrem Haus zwei Privaträume im Untergeschoss als Betsaal für die rund fünfzig Evangelischen ein. Als Altar diente ein altes Holzgestell, mit schwarzem Stoff überkleidet. Ein Kruzifix und eine Bibel wurden von einem pensionierten Pastor geschenkt, Teppich und Gardinen stifteten Gemeindeglieder. Pfarrer Spitta brachte aus Oberkassel ein Harmonium und 50 Stühle mit. Am 12. Februar 1882 – also vor 135 Jahren – feierte die Gemeinde den ersten evangelischen Gottesdienst in Beuel.

Zu den Gottesdiensten kamen bald Kinderlehre, der Unterricht für die 5 bis 6 Konfirmanden, und bald auch ein Frauenkreis. 1887 gründete sich ein eigener Frauenverein. 1894 wurde die evangelische Kapelle (heute: Versöhnungskirche) eingeweiht. Im Betsaal im Hause Sander richtete die Gemeinde 1897 eine evangelische Schule für 40 Kinder ein. Im Jahr 1900 siedelte sie in ein neu errichtetes Gebäude an der Neustraße um.

Der Oberkasseler Pfarrer Spitta erinnert sich später: „Es war wie zur Zeit der ersten Christen, ein Herz und eine Seele, voll Opferwilligkeit“ und er fügte in bilderreicher Sprache hinzu: „Es war, wie wenn sich aus der Nachtstille eine Stimme nach der anderen erhebt, wie die Stimme der Vögel, wenn es im Walde zu tagen beginnt, und eine nach der anderen sich bekennt zum evangelischen Glauben“. (Predigt von Pfarrer Borchert am 14. Februar 1982, abgedruckt in Gemeinde heute 2/1982)

An Ottilie Sander soll in näherer Zukunft auch mit einer nach ihr benannten Beueler Straße gedacht werden; ihr Name befindet sich bereits auf der Benennungsliste der Stadt Bonn. In diesem Jahr wurde anlässlich des 135-jährigen Gedenkens an Gottesdienste in Beuel eine Gedenktafel am Ort ihres Hauses (heute: Friedrich-Breuer-Str. 6-8 / Ecke Agnesstr.) angebracht. Ottilie Sander ist auf dem Friedhof Platanenweg begraben. Das Grab (Abteilung IV, Nr. 32) wird von der Gemeinde gepflegt.

Gedenktafel für die Mutter der Gemeinde

Artikel im Bonner General-Anzeiger vom 9. Februar 2017

Ottilie Sander